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Cyberkrieg

Die schweissnassen Hände hinterlassen Abdrücke an den Oberschenkeln der Jeanshose, die Spuren davon trägt, dass sie seit Tagen nicht ausgezogen worden war. Die winzigen Augen sind rot gefärbt, der Schlafmangel macht sich auf der fahlen Haut bemerkbar. Die mahagonifarbenen Haare hängen strähnig und unfrisiert ins Gesicht. Das schlammgrüne T-Shirt scheint unter den Achseln dem Stoff der Jeans Konkurrenz machen zu wollen. Das tut es, zumal es, zusammen mit dem frischen Angstschweiss diesen abgestandenen, alten, stechenden Geruch in der engen Kammer, die von fahlem Licht erfüllt ist, verbreitet. Dass die vier modrigen Vintagemöbelstücke ausgemacht werden, liegt an der jahrzehntealten Glühbirne, die durch ein Kabel mit rissiger Ummantelung von der Decke in der Mitte des Raumes hängt. Die dunkelbraunen Regale sind Zeitzeugen der 80er-Jahre, der Glasschreibtisch mit seiner schmierigen Oberfläche ebenfalls. Weil nachts um 3 alle Geräusche verstummt sind, scheint das Summen der Festplatte wie das eines Baggers, der nebenan einen Keller aushebt. Die trockenen Lippen werden von der Zunge benetzt, der eigene Mundgeruch wahrgenommen. Die Schlundöffnung schmeckt verfault.

Der Computer läuft seit Monaten. Zum Weiterarbeiten nach Abstürzen ist er ab und zu aus- und wieder eingeschaltet worden. Die Arbeit brachte Kohle. VIEL Asche. Bald wäre ausgesorgt.

Wie aus dem Nichts wird die Stimmung von einem Quietschen, das in den Ohren schmerzt durchschnitten. Das Hochschrecken vom Arbeitsplatz führt zu einer Überschwemmung auf demselben. Zum Glück läuft das Red Bull neben der Tastatur vorbei, sonst wäre es zu einer Katastrophe gekommen. Der Herzschlag wird beschleunigt, die Augen weiten sich. Was passiert hier? Ein Ratschlag nach der Übernahme des Jobs huscht durch die Gehirnwindungen: „Sei auf der Hut!“

Nicht mal als im Kopf die Verarbeitung fertig ist, die zu dem Ergebnis kommt, dass es ein altes Auto mit kaputten Reifen ist, das zu der Aufregung führt, beruhigt sich der Blutdruck. Dieser läuft seit Monaten auf Hochtouren. Teils durch den Kampf mit dem Gewissen, teils durch künstliches Hochhalten koffeinhaltiger Getränke sowie in letzter Zeit Kokain. Irgendwoher muss ja die Energie kommen. Ansonsten ist diese Arbeitsweise schwer durchzustehen.

Wieder ein Geräusch, erneut ein Hochschrecken. Es kommt aus den Lautsprechern der Festplatte. Was zum Teufel ist das? Ein Chatfenster öffnet sich. Wie ist das möglich? Die Firewall ist doch dicht wie Fort Nox? Erst wird auf den Bildschirm gestarrt. Dort ist in weiteren 2 Sekunden, die in der Wahrnehmung genauso 2 Stunden sein hätten können, die folgende Nachricht zu lesen:

„Jetzt haben wir dich!“

Wer um alles in der Welt ist wir? Es hatten die Auftragenden gemeint, es würde viele Bluffer geben, die sich als irgendwelche Regierungsmitglieder ausgeben würden. Daher die eher knappe Antwort, die gelassen wirken soll. Schwierig zwischen den Zeilen den wahren Gemütszustand herauszubekommen, wenn sie durch Glasfaser verschlüsselt, als Buchstaben wieder ausgespuckt werden.

„Wir sind ein Team des Geheimdienstes, das auf Leute wie ihr spezialisiert ist.“

„Aha. Wieso? Darf ich denn nachts nicht arbeiten?“

Autsch. Fehler. So grenzt am anderen Ende der Leitung ein, wo jemand ist, oder nicht.

„Mach dir keine Sorgen darüber, zu viel zu verraten. Wir haben ohnehin alle Informationen. Es ist nun 03 Uhr 3 in deiner stinkigen Bude.“

„Was wollt ihr?“

„Wir erpressen nicht, wenn du das meinst.“

Übergangslos wird der Raum grell erleuchtet. Wie ein UFO, das landet, wird alles in gleissendes Licht getaucht. Auf diese Art sind in den Winkeln die alten Spinnennetze sichtbar. Der nackte Betonboden trägt Spuren vom letzten Regentag, an dem der asphaltlose Vorplatz aufgeweicht war. Kurze Ablenkung. Durch die Quelle der Erleuchtung geblendete Sehorgane nehmen ein rückwärts einparkendes Auto vor dem Kellerfenster wahr.

„Nein, das nicht. Schliesslich bin ich nicht erpressbar.“

„Oje. Das meinen alle deiner Sorte. Es stellt sich hier die Frage, warum ihr dann solche Aufträge annehmt?“

Ein wunder Punkt.

„Na weil ich von euch Arschlöchern keinen bekomme. Einen ordentlichen Beruf habe ich gelernt. Anständig war ich immer. Aber nein, euch feinen Leuten war ich zu eigenbrötlerisch.“

Ups. Der Bogen ist überspannt. Verräterisch. Unnötig. Emotional.

„Wie dem auch sei. Gerne beantworten wir die Frage: Wir wollen dich vorwarnen. Bevor wir uns gemeldet haben, haben wir uns die Daten deines Computers kopiert.“

Blitzschnell wird ins Dos gegangen, flink ein paar Zeilen eingetippt. Tatsächlich: Jemand hat sich Zugang verschafft. Es ist ein grosses Team und Sponsorinnen dahinter. Verflucht. Die Flucht war durchdacht. Immer und immerfort. Es besteht kein Ausweg. Es war als 100%ig sicher verkauft worden. Die Gedanken werden von einer weiteren Nachricht unterbrochen:

„Eine Chance gibt es.“

Was antworten? Bis dafür eine Problemlösung existiert, dauert es zu lange und folgende Zeile ist zu lesen:

“Nenne uns alle Hinterpersonen, hilf dabei, die Gehirnwäsche zu zerschlagen, und du bist frei.“

„Das wird euch niemals gelingen. Die sind überall.“

„Klar, vor allem Figuren wie du. Irgendwo fangen wir eben an.“

Es klopft an der Tür. Es ist an der Zeit eine Entscheidung zu treffen.

„Ihr habt keine Chance.“

„Das überlass uns. Zwar ist klar, dass ihr erreicht habt, dass die Leute mit euren künstlich aufrecht erhaltenden Gruppen der Meinung sind, Viren gäbe es nicht, dass viele Menschen erkranken, weil sie auf euer „Impfung-schadet-Gesülze“ reinfallen, aber eine neuwertige Sowjetunion mit einem neuen Stalin, die sich über ganz Europa bis nach Portugal erstreckt, muss mit allen Mitteln verhindert werden.“

„Warum das immer verteufelt wird. Da verhungert niemand!“

„Ach ja? Und was machen die mit Leuten wie dir? Schon mal mit so einer Person gesprochen?“

Bewegungslosigkeit im Chatfenster.

„Natürlich nicht! Weil sie es nicht überleben, wenn sie die halbe Bevölkerung mit regierungsfeindlichen Chats fluten!“

„Aber ... .“

„Fühlst dich wie James Bond, was?“

„Ich arbeite für den Geheimdienst.“

„Das stimmt leider. Aber für eine Abteilung, deren Aufgabe es ist, den sogenannten „Westen“ einer Gehirnwäsche zu unterziehen. Das Traurige ist, dass es funktioniert! Ihr Idioten schaufelt euer eigenes Grab!“

„Aber ich habe doch die Freiheit, andere Meinungen zu vertreten!“

„Unwahrheiten! Die als tödliche Wahrheiten dargestellt werden.“

Jetzt hat das Treten, das ignoriert wurde ein Ende und die Türe fliegt aus den Angeln. Ein kurzes, kaum vernehmbares „blob-blob“ kommt durch den gehackten Lautsprecher und das menschliche Instrument einer machtbesessenen Politik fällt leblos zu Boden.

Die Kontaktperson aus dem Internet flucht und rauft sich die Haare. Wieder eine potentielle Verbindung ausgeschaltet. Niemandem wird auffallen, dass die, soweit es beurteilbar ist, nach Social Media süchtigen Person verschwunden sein wird. Ein paar Nachrichten werden an Kontakte geschickt werden, um vom Weiterleben zu überzeugen, und eines Tages kräht kein Hahn mehr nach einem ungeselligen Mitmenschen.

 

Virtueller Hut: Du förderts so die Schreibkunst:

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