«Gehen wir es nochmal durch: Die eine hinter dem Gebüsch und die im 12. Stock sind von den eigenen Hündinnen zerfleischt worden.»
«Woher wissen Sie, dass es keine Rüden waren?»
Er kennt sie noch nicht so gut, war vorher mit Befragungen beschäftigt und ist somit eben erst dazugekommen. Vlora hat jetzt keine Kapazitäten für Dummheiten und fährt an ihn gewandt fort:
«Frau Schneider. Es stellt sich wohl eine ganz andere Frage: Wer versteht so viel von Hunden, sie gegen das eigene Frauchen zu richten?»
«HERR Schneider.»
«Woher hätte ich das wissen sollen?»
Irritiert fährt sich der Polizist durch seinen Bart.
Sie freut sich, dass er endlich sprachlos ist und mit ihrer Aufgabe fortfahren kann:
«Wir suchen also nach einer, die sich mit diesen Tieren auskennt. Die aus der 11. Etage wurde ja mit dem Küchenschneidgerät erledigt; auf dieselbe Art, wie der Mann, der zerfleischten Frau im 12.
Stock. Heisst für mich: Wieder die gleiche.»
»Naja,» gibt ihr Assistent zu bedenken: «das mit dem Küchenmesser ist keine Kunst.»
Die Hauptkommissarin zerquetscht mit rechtem Mittelfinger und Daumen den oberen Teil der Nase und kneift gleichzeitig die Sehorgane zusammen. Sie entscheidet sich dafür, ihm nicht einfach ihre
logischen Schlussfolgerungen aufs Auge zu drücken, sondern ihm auf die Sprünge zu helfen:
»Was wissen Sie nochmal über die Art, wie das Paar davon abgehalten wurden zu flüchten?»
«Die Achillessehnen waren ihnen durchgeschnitten worden.»
»Beiden?»
»Ja, alle zwei haben sie zertrennt.»
Pause. Dann wieder er:
«Und was schliessen wir daraus?»
Sie:
»Denken sie, dass es ein Zufall ist?»
«Nein, wird wohl die gleiche Mörderin sein.»
«Gut. Das macht es unkomplizierter. Wir suchen eine.»
«Warum denken sie, dass sie keine Komplizin hatte?»
«Sieht nicht berechnet aus. Zwar wie Rache, aber eher spontan. Geplante Sachen sind sauberer. Diese wären weniger offensichtlich. Sie wären verschleierter eben. Ein Statement, eine Art
Mordkunstwerk kann es nicht sein, es fehlt dafür eine Nachricht. Eine Künstlerin will erwischt und für ihr Kunstwerk bewundert werden. Oder sie hat eine Botschaft.»
Im elften Stock vergewissert sich das Grüppchen Polizistinnen, ob Gehörtes und selbst Inspiziertes zusammenpasst: Wie im darüberliegende Stockwerk ist auch hier alles voller Blut. Unterschiedlich
verteilt. Zum Eingang hin werden die Abdrücke von Schuhen, eindeutig im bereits eingetrockneten Rot zu sehen, dünner. Sie hat sich nicht die Mühe gemacht, ihre Spuren zu verwischen. Rache.
Unüberlegt. Es scheint Schuhgrösse 39 zu sein. Standart. Weiblicher Standart. Die Sohlen sind bekannt. Eine Art Wellenmuster, kreuz und quer, das Dreiecke bildet. Diese könnten mit etwas
Phantasie einen Fallschirm bilden. Sandalen, oder durchschnittliche, günstige Plastiktreter, wie sie überteuert in Sportgeschäften als Speziallaufschuhe verkauft werden. Markenware, die ihren,
über dem Wert liegenden Preis mit der Aufschrift Ocean Plastic rechtfertigt. Wird die Forensik im Handumdrehen herausfinden. Blöd nur, dass es tausende davon gibt. Speziell in der Grösse. So
lässt sich der Jahrgang der Täterin eingrenzen. Sicher keine dieser alten Pensionistinnen, die einem böse anschauen, wie Fische, die zu tief getaucht sind.
Die Verblutete hat einen verzerrten Gesichtsausdruck. Haben alle Sterbenden möchte man meinen. Ist nicht der Fall. Der Gedanke der letzten Sekunden, ja Millisekunden spiegelt sich darin. Etwas
Ungläubiges. Sowas wie:
«Das kann nicht sein!»
Sie erstreckt sich seitlich. Hinter ihr ist eine dicke Blutspur. Geschliffen. Streifen zeichnen sich in ihr ab. Breite. Einen Meter muss sie gekrochen sein, ehe sie zusammensackte. Der linke Arm
liegt unter ihrem Körper, der rechte ist gekrümmt über ihren Kopf gestülpt. Sie muss wohl noch etwas gedeutet haben, bereits zu schwach zum Sprechen:
«So hilf mir doch!»
Alles deutet auf diese eine Person. Sämtliche Indizien erneut dieses eine Motiv. Immer wieder der gleiche Hintergrund:
Die Nachbarin. Rache. Nachbarschaftskrieg.
Virtueller Hut: Du förderts so die Schreibkunst:
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