Eine Statue bin ich. Eine Leiche. Starr und bewegungsunfähig. Starr ist auch mein Blick. Seit Stunden ist er wie ein Laser auf den Felsblock gerichtet. Durchbohrt den Stein, hat schon ein 10 Meter tiefes Loch dort hinterlassen. Offenbar atme ich noch. Sonst wäre ich umgefallen. Aber aufgefallen ist mir mein Atem schon lange nicht mehr. Mir auch egal. Ausfallen wäre schön. Weg von hier. Weg von dieser Welt. Nur das möchte ich noch. Das Leben ist nicht mehr lebenswert. Mein Magen knurrt auch schon nicht mehr. Auch ihm ist es egal, wenn er weiter leer ist. Einfach leer, wie mein Wille, oder meine Motivation. Was tun? mich bewegen!? Unmöglich ist es geworden. Er fehlt, der Lebenswille, weg ist er. Seit dieser Szene. So kurz von Dauer und doch so einschneidend. Zerstört. Zerrissen ist die Familie. Nur ein Augenblick und weg waren sie. Alles wofür es sich zu leben lohnte. Meine Kinder. Tot. Einfach ausradiert. Es zerreisst mir nun noch die restlichen inneren Organe, wenn ich daran denke. Das Herz ist schon zerfetzt. Ein Zynismus der Natur, dass es noch schlägt, reine Verschwendung. Wofür sollte es das tun? Für nichts. Weiter starre ich Löcher in die Luft. Der Gedanke daran, was ich tun könnte hörte auf, als alle Hoffnung weg war, mein Nachwuchs tot. Der Kampf schien eine Ewigkeit zu dauern, jedoch ging alles sehr schnell. Die Frage im Kopf, warum und wieso verfolgt mich seitdem. Aber auch sie wird kleiner. Es gibt keine logische Erklärung. Was bleibt ist immer nur diese Ungerechtigkeit, dieser Schmerz. Einfach so: Raus, weg, tot. Der Wunsch, ihnen nachzufolgen in ihr Schicksal wird immer stärker. Was soll das ganze hier? Wozu noch Nahrung besorgen? Für was aufpassen, Wache halten, ihr geschütztes Schlafplätzchen bewachen. Mörder sind sie. Kaltblütige Monster. Ich war so machtlos, konnte nur zusehen. Dieses Obermonster hatte sich sogar noch Verstärkung geholt. VERSTÄRKUNG! Jemand der ohnehin schon 10 mal grösser und stärker ist als alle 2 Kinder zusammen. Zu dritt sind sie gekommen. Alle anderen haben nur zugesehen. Sind dagestanden, als ob es ein Schauspiel wäre. Wie hätte ich mich auch wehren sollen? Sogar ich bin viel zu klein, viel schwächer als diese, diese, Teufel.


Er nervte sich seit er hier war, dass nichts weiterging. Er wollte vor Tagen los, konnte aber nicht. Sein Schiff hätte nur wenige Reperaturen bekommen sollen und die Handwerker waren nicht aufzutreiben. Nur diese 3 Wochen blieben ihm bis er wieder ins Hamsterrad musste. Seine Frau lag ihm auch schon in den Ohren. Sie tat was sie konnte, aber ihre vereinten Kräfte waren nicht genug. Eine ganze Woche später erst war es nicht nur gelungen einen Mechaniker zu besorgen, um den Motor zu reparieren, es war sogar möglich geworden die Propeller noch instandzusetzen und den Wassertank zu reinigen. So eine Segelyacht verlangt einiges ab an Wartungsarbeiten, vor allem wenn sie den ganzen Winter in der Werft herumsteht. Genervt und gestresst, dennoch voller Hoffnung hatte es dann endlich los gehen sollen. Na gut, wenigstens 2 Wochen würden ihnen bleiben. Zu guter Letzt wurde dann noch der Mast und die Segel geprüft.
In dieser ganzen Woche, in der alles hin und her ging mit Reperaturen, damit einen Termin zu bekommen, um das Schiff ins Wasser zu kriegen und noch sonstigem lästigem Organisatorischen, musste er sich auch noch mit den Folgen der schlechten Werftwartung auseinandersetzen. Um zu sparen sorgten sie sich wohl nicht um eine Mückenplage. Der Gestank von verrottenden Tieren aus dem Naturschutzteil hinter dem Zaun musste er auch ertragen. Die Duschen waren von Spinnen bevölkert und die Toiletten schon mal von Fröschen. Verfluchte Natur. Von wegen, sie stirbt. Die sollen wir brauchen? Blutsauger, Versäucher? Die produzieren auch CO2 und verbrauchen resourcen, diese Viecher. Dann war da noch diese Möwe, das blöde Vieh. Die ganze Zeit flog sie über seinen Kopf und die der anderen hinweg. Sie krächzte und war nahe daran, sie zu attackieren. Auf jeden Fall flatterte sie über seinem Kopf, als er zur Toilette ging. Dieses dumme Federvieh. Und dann dieser Lärm. Er bemerkte dann auch noch, dass es sie war, die sein Deck vollkackte. Weisse, halb flüssige Scheisse, die sich in das Material frisst.

Bei der Prüfung des Mastes entdecke er es dann. Es sollte ihn nun daran hindern auszulaufen, keinen Urlaub zu machen? Nein, auf keinen Fall! Ihm würde niemand in die Pläne pfuschen. Daheim wird er von Angestellten geärgert, die ihn aussaugen wollen. Diese elenden Blutsauger wollen immer noch mehr. Geld, Urlaub, Prestige, Freizeit. Da ist es wohl das Mindeste, wenn er wenigstens für gerade mal ein paar Wochen im Jahr auf seine Yacht kann. Und nun hatte er seinen wohl verdienten Urlaub etwa verpfuschen sollen? Nein, auf gar keinen Fall. Auch wollte er nicht einsehen, dass ausgerechnet ER etwas tun sollte. Schliesslich kassiert die Werft jährlich ein kleines Vermögen dafür, dass sein Kahn da an Land einfach nur herumsteht. Die sollten etwas tun für ihre Kohle und gefäligst dafür sorgen, dass er los konnte. Er rannte daher zum dritten Mal in das Büro beim Einfahrtstor, um sich dort so richtig aufzuregen. Einen Aufstand machte er, um endlich mal diese faulen Säcke dazu zu bewegen ihren Arsch auf seinen Mast zu ziehen. Ein nervöser Mitarbeiter wurde, nachgiebig wie sich der Werftchef dann zeigte, dazu eingeteilt dem lästigen Kunden endlich behilflich zu sein. Ein Billiglohnarbeiter wurde mitgeschickt, um ihm zur Hand zu gehen. Beide wären zwar woanders besser zu gebrauchen gewesen, aber diesen hochnäsigen Yachti wollten sie auch los werden, zumal er auch wertvolle Büroarbeit zunichte machte, wenn er sich immer und immer wieder einem Herzinfarkt nahe aufzubuddeln beginnt, wenn ihm gesagt würde, was die Folgen von so einer Aktion seien.


Ich musste zusehen, wie sie sich über meine Kleinen hermachten. Ihr Leben haben sie ausgelöscht und meines vernichtet. Sinnlos. Einfach so. Für nichts. Mein Geschrei hielt sie nicht davon ab. Alles war umsonst. Schützen hatte ich sie wollen. Nur meine Kleinen schützen und durchfüttern, bis sie endlich selbständig geworden wären. Das hätte nicht mehr lange gedauert.
Nach seinem wohlverdienten Mittagssandwich kletterte er also auf diesen Mast. Die Metallstangen sollten ihn nach oben führen. Besonders gewartet waren diese aber nicht geworden in den letzten Jahren. Ein Sicherungsgeschir mit Gurt und starken Karabinern sind zu teuer für ihn, stehen in keinem Verhältnis zum Hungerlohn. Sein Leben riskieren dafür? Er hatte Kinder, die noch lange im Nest sitzen würden, durchzufüttern. Einen Fuss setzte er also über den anderen, um dem Himmel immer näher zu kommen. Hitze, keine Wolken, der Schweiss tropfte im schon von der Stirn. So weit oben schien es zu sein, das Ziel. Ironie des Schicksals: Das Himmelreich nach dem Tod? Dem Himmel entgegenklettern?
„Feigling“, dachte er. Du wirst zurückkommen, die anderen werden dich bewundern. Ruhm und Ehre würdest du dir holen. Etwas Abenteuer bei der Arbeit ist ja auch nicht zu verachten. Oben angekommen realisierte er, dass der Abtransport eine gewisse Herausforderung darstellte. Das Ding war grösser als gedacht.
„Oh, jö. Is ja süss. Wirklich? DAS muss ich tun?“
Er quetschte alles zusammen. Sein einziges Ziel war es jetzt erst mal da wieder lebendig runter zu kommen. Wie ein stinkendes, löchriges, porröses Müllsäckchen quetschte er alles zusammen, um es unter den linken Arm zu klemmen.

Sie denkt zurück als er begann, dieser Moment, das den Anfang ihres Endes markierte. Nervös hatte sie auf seinen Arm gestarrt. Da war noch Hoffnung, als er am Abwertsweg war. Unten angekommen nahm er aber, unter den 4 Augen des Kollegen und des Schiffsbesitzers, das zusammengequetschte Nest unter dem Arm hervor, holte die Teenagervögelchen aus dem Nest und warf sie achtlos über den Zaun. Dem Tod geweiht. Sie konnte nur zusehen, auch die Menschen sahen zu wie die Möwenbabys, deren Flaum noch nicht zum Fliegen ausgebildet gewesen waren, davonhüpften.
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