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Georgi Kalaydzhiev
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Hier sind alle zusammengetrommelt: die Konsumentin Angela, die Mittelsfrau Daniela, der Redner Dr. Rauf, die Journalistin Eva. Eine spezielle Zusammenkunft.
Angela, der Name trügt, denn wie ein Engel ist weder ihr Verhalten, noch ihr Aussehen, sitzt in der Mitte und wirkt gelassen. Sie scheint selbstbewusst und so, als hätte sie alles im Griff. Ihr Erscheinungsbild suggeriert der Betrachterin, dass sie gesund lebt: Keine Schminke, keine Frisur, die Chemie verlangt. Sie ist nicht zu dick, oder unnatürlich abgemagert. Das haselnussbraune, feine, etwas dünn gesäte Haar hängt ihr gerade knapp zu den Schultern.

Georgi Kalaydzhiev
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Daniela behält Angela ständig im Auge. Sie hat das Auftreten einer klassischen Mutter. Weite, bequeme Leinenkleidung, etwas Speck um die Hüften. Leicht gewelltes, grau-blodes Haar hat sie lose zusammengebunden, sodass Strähnchen ihre fahle Haut umspielen. Ihr Gesichtsausdruck ist suchend und fragend, ihre Augen huschen schnell von rechts nach links.
Der Doktor, angeblich der Medizin, trägt ein Hawaiihemd, hat die Sonnenbrille in seinem sonnengebleichten Haar, lässt seine helle Beinbehaarung unter den bunten Shorts hervorstechen. Sein breites, künstliches Grinsen ist dazu da, sein Gesundheitsimage so teuer wie möglich zu verkaufen. Er lehnt lässig am Rand des Speise- und Veranstaltungssaales in einem Ohrensessel. Ein Fuss liegt auf dem Knie des zweiten Beines. Unbeteiligt hat er von seinem Eck aus einen Überblick über den gesamten Raum.


Eva trägt einen klassischen, mittelklassigen Hosenanzug: Anthrazit mit weisser Bluse. Ihr Haar ist streng nach hinten gebunden. Dezente Nude-Schminke, schmucklos, aalglatt. Sie sieht sich aufmerksam um. Keine Haarsträhne würde es dabei wagen, nur ein bisschen aus dem Pferdeschwanz hervorzublitzen. Dem Blond war mit Wasserstoffsträhnchen nachgeholfen worden. Sie sitzt auf einem Stuhl am Tisch. Es sieht so aus, als wäre sie bereit. Zum Essen jedenfalls nicht. Sie hält nichts davon, was der eng geschnürte Gürtel um ihre äusserst dünne Taille beweist.

Angela zupft an ihrem langärmligen Leinenshirt mit Batikmuster. Sie fährt sich in die, dazu passende, weizenbeige Hose von gleichem Stoff, um ein Schächtelchen hervorzukramen. Mit nach vorne gerecktem Kinn und einer Selbstverständlichkeit steckt sie sich einige, daraus hervorgekramte Vitaminpillen in den Mund, um sie dann mit dem bereitgestellten Wasser hinunterzuspülen. Sie kauft diese Präparate schon seit 2 Jahren regelmässig. Dabei gibt sie ein Fünftel ihres Gehaltes aus, da diese Produkte exakt 9,5 Mal mehr kosten als im Handel.

Hannah Xu
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Das spielt vielen in die Hände, denn Daniela lebt genauso davon, wie die Person vor ihr, die sie einst angeworben hatte. Die Yachten der Vorstände und CEOs gilt es ebenso zu finanzieren. Der Doktor hält seine Vorträge zudem nicht gratis. Mit dem Assistenzarztstress war er nicht klargekommen, war in der Vergangenheit mit einem blauen Auge davongekommen, indem er die Ausgabe von falschen Medikamenten vertuschte. Seine Verschleierungsgabe und Überredungskunst hatte er schliesslich genützt, um im Marketing Fuss zu fassen. Mittlerweile erklärt er allen, die ihm bereitwillig zuhören, wie wichtig und wirkungsvoll pulverisierte, chemische Vitamine sind. Nicht dass er davon etwas verstünde, zumal die Ernährungswissenschaften weder in seinem Leben, und im Studium keinen Platz hatten, aber der Titel reicht, um Bewunderung, Gefolgschaft, Kundinnen, ja sogar Fans zu produzieren. Eva würde nie zum Fan werden. Ihre Art von Journalismus ist investigativ und hat zum Ziel die Welt vor faktenfreiem, propagandistischem Schwachsinn zu bewahren.

Hal Gatewood
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Deshalb ist sie hier. Diese Veranstaltung war bisher voller heisser Luft. Nur inhaltslose Reden, aufgeblasenes Getue und verblendende Aktivitäten, die davon ablenken, dass finanzschwachen Menschen, denen Persönlichkeitsbildung, Bildung, oder nur Faktenwissen fehlt, Geld aus der Tasche zu ziehen.

Nong V
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Dies gelingt mit sektenartigen Methoden, die die Leute dazu bringen längerfristig ihre Kredite zu behalten ja sogar ihre Bankkonten zu überziehen. Sie will der Art von Multilevelmarketing, das den euphemistischen Namen Networkmarketing trägt, den Garaus machen. Ein für alle mal. Es wird Zeit, dass es ein Gesetz gibt, um Menschen wie Angela, die leicht zu beeinflussen sind, vor Gehirnwäsche zu schützen. Ihr braucht man nur ein Kompliment zu machen, ihr einzureden, dass der Konsum weiterer Produkte sie gesünder macht und ihr zu erklären, dass sie von Reichtum überschüttet wird, wenn sie nur so viele Menschen wie möglich davon überzeugt das gleiche Zeug zu schlucken. Dass Daniela hier 2 Fliegen mit einer Klappe erwischt ist nebensächlich. Sie hat endlich die Gunst ihrer ehemaligen Nachbarin und profitiert zudem finanziell davon. Den Geldfluss ihres unternehmerischen Exmannes hatte sie durch ihre instabile Art endgültig abgedreht.


Jemand hat ja ihre Klamotten, die nur vordergründig entspannt und simpel wirken, zu finanzieren. Flüssige Mittel, das einzige Ziel dieser dreitägigen Wochenendveranstaltung, hat auch Dr. Rauf nötig. Seine 50-Meter-Motoryacht braucht ein neues Beiboot.
Das Motiv ist wie so oft Geld. Deshalb starb die Kindheitsfreundin Judith. Aber ist das der Ansporn? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, sind hier alle zusammengekommen.
War es Angela, weil sie nicht ertragen konnte, dass sich die Frau mit der sie aufgewachsen ist und mit der sie so viel gemein hatte, durch die Wahl eines anderen Lebensstils mehr finanzielle Ressourcen bildete? Oder wurde doch der Doktor zum Mörder, weil Judith zu viele Fragen gestellt hatte? Welchen Grund hätte Daniela?
All dem wird die Kommissarin in eben diesem Raum näher kommen.

pawel szvmanski
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