· 

Netzwerkraum

Hier sind sie zusammengekommen, um herauszufinden, wer Judith auf dem Gewissen hat. Wie finden wir das heraus? 
Es ist im kleinen Seminarraum. Hier werden sie die Fragen beantworten, denn auf dem modernen Teppich in der Mitte des Raumes ist sie zu Tode gekommen. Das Knüpfwerk, ein neues Modell, das auf „alt-perser“ gewebt worden war, ist nach dem Abtransport der Leiche ebenfalls zur Reinigung weggekommen. Zwar war das Grün-Beige durch den toten Körper nicht beeinträchtigt worden, das Nobelhotel hatte nichts von der Idee von Leichensaft oder Blut hinterlassen wollen. Nun steht dort einer der breiten, braunen, klassischen Ledersessel, wie sie in Zigarrenzimmern zu finden sind. Auf ihm sitzt Angela. Einen anderen der identen 4, im Raum verteilten Ohrensessel nimmt der Doktor 2 Meter weiter rechts von dem Kamin in Beschlag.

Diese offene Feuerstelle, die zu der warmen Jahreszeit nicht benützt zu werden scheint, ist klassisch. Traditionell britisch. Eher schlicht ist er gehalten mit wenigen Verzierungen in der Steinumrandung. Es ist der Winkel, der von der grossen, zweiflügeligen Eingangstüre aus rechts hinten liegt. Von ihm aus sieht der Doktor zur langen Tafel. Sie ist auf die Weise platziert, dass die Gäste durch die hohen Fenster, die sich über die gesamte Aussenwand verteilen, einen Blick auf den gepflegten, mit Schatten spendenden Bäumen bepflanzten, Englischen Garten haben. Um dies zu ermöglichen, war der dunkelbraune Tisch aus edlem Holz schräg in den Raum gestellt worden. Die Tischplatte aus Teakholz wird teilweise von Evas Laptop bedeckt. Sie macht sich Notizen. Sie ist immer vorschriftsmässig, hat jederzeit das Bedürfnis sich korrekt zu erinnern und hat daher alles mit ihren Aufzeichnungen im Griff.

Daniela, die ständig Angela im Auge hat, wäre es möglich, ihren Blick auf das, mit üppigem Goldrahmen verzierte Gemälde zu geniessen. Es sieht kostbar aus. Original. Direkt von einer Vernissage gekauft. Es zeigt 2 jagende Damen zu Pferd. Nicht im Damensitz. Selbstbewusst und locker sitzen sie mit einem Bein auf je einer Seite des Pferdesattels darauf, ihre Gesichtszüge entspannt. Nicht wie es in einem alten Landsitz zu erwarten wäre, tragen sie feinste Stoffe des 19. Jahrhunderts, sondern bedienen sich teurer Markenklamotten eines Spezialladens für den Reitsport der modernen Gesellschaft. Die Farben sind leuchtend gehalten. Eine Menge Malmaterial war verwendet worden, denn die Schatten von Kolorierung sind zu erkennen. Die Malerin hielt nichts davon ein Abbild der Wirklichkeit zu schaffen.


Der Horizont ist grün, die Bäume hinter den Sportlerinnen zu Ross sind lila, das hohe Gras durch das sie auf den Wald zureiten türkis. Nein, Daniela könnte das Bild sicher nicht beschreiben, wenn es nötig wäre. Sie hat auf einem weiteren der Ledersessel links vom Doktor Platz genommen. Er ist gegen dessen Sessel Richtung Kamin, über dem die Reiterinnen hängen, verschoben. Sie dreht zwar dem Eingang den Rücken zu, jedoch sieht sie, was sie sehen möchte: Alle, die sich im Raum befinden; speziell Angela.
 
 
Darunter, auf der Fensterseite des Kamins ist einer dieser Ständer. Prädestiniert als Mordwerkzeug. Die Schürhaken sind es diesmal nicht. Keine Zeichen davon auf der Leiche oder dem Gegenstand. So verhält es sich genauso mit den Flaschen und dem Besteck auf der linken Seite des Raumes. Diese sind in einer noblen Kredenz aus edlen, dunkelbraunen Harthölzern zu finden. Die Gefässe, in einer Reihe drapiert und mit teurem Wein, wie Châteauneuve-du-Pape, sind hinter der Glasvitrine innerhalb des Möbelstückes zur Schau gestellt, das Esswerkzeug ist in den Schubladen darunter poliert und geschlichtet. Ansonsten ist das Veranstaltungszimmer eher karg gehalten. Nur mit dem Fensterglas hätte jemandem die Kehle aufgeschnitten werden können. Dieses ist aber unversehrt und die Leiche hat zudem einen tadellosen Hals. Nein, weder die Atemorgane noch das Herz wurden mutwillig zerstört. Die Mörderin hat sich nicht angestrengt.

Das Gift, das durch ihren Magen in die Blutbahn geriet, muss in dieses Zimmer gekommen sein. Die tote Judith war schon hier gewesen, als die Verbrecherin kam. Sie hatte aber abgesperrt. Der Raum und wie er betreten wurde ist der Schlüssel.

Virtueller Hut: Du förderts so die Schreibkunst:

https://www.buymeacoffee.com/QBurg

Erhalte so exklusive Inhalte! :-)

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0