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Newsletterbombe

Briefbombe
Newsletterbombe

Es begann mit diesem eigenartigen Gefühl: Etwas stimmt hier nicht. Er hatte so gerne glauben wollen, dass alles schon ok war, dass das nun mal vorkommen kann, dass die Welt in Ordnung sei, aber er konnte es nicht. Er wusste und weiss, dass das so nicht geht. Immer schon hatte er sich hineingesteigert. Das konnte er sehr gut. Sich festhaken. Wie ein Bienenstachel: Widerhaken, die nicht mehr loslassen. Fanatismus. Besessenheit. Besser gefällt ihm Konzentration. Es ist ihm auch egal. Scheissegal genaugenommen ist ihm, was andere denken, oder davon halten, was sein Psychiater oder sonst wer wie auch immer benennt. Er findet es eben nicht richtig. Es kann nicht sein, dass sich irgendjemand da draussen einfach so das nimmt, was er sich über Jahrzehnte aufgebaut hatte. Die Wut steigt ins Unermessliche, wenn er daran denkt. Schweissausbrüche erleidet er, die dazu führen, dass er selbst aussieht wie ein Schwerverbrecher, wenn der Zähflüssige Talg durch seine Poren gedrückt wird.

Angst vor Neuigkeiten

 

Wie bei einem Mops bilden seine Stirnfalten labbrige Sonnenblenden, das Doppelkinn schwabbelt im Takt mit den paar übrigen Haarfetzen, die sich wohl aus Angst nicht getrauten, auch noch auszufallen. So gar nicht erklären konnte er sich, wie das überhaupt passieren hatte können. Er war doch immer vorsichtig, hatte sich, seine Daten zurückgehalten. Trotzdem wurde er gefunden. Das bereitet ihm noch zusätzlich Unbehagen. Dieses ausgeliefert sein. Dieses Sein-eigenes-Leben-nicht-in-den-Händen-haben. Er hasst es, hasste es immer schon. Irgendwann stehen sie vor seiner Tür, führen ihn ab und er weiss nicht mal warum. Es graut ihm davor nachzusehen, ob noch etwas hinterhergeschoben worden war. Seine, vom Rauch vergilbten Fingernägel machen ein kurz hörbares Klappergeräusch auf der Tastatur. Die dichten Haare auf seinem Oberarm stehen auf. Er nimmt die Hände wieder weg. Was kann er nur tun? Er hat nicht viel Kraft vom langen Ärgern, Angst haben, sich sorgen, frösteln, die Ungerechtigkeit wegdenken. Tatenlos herumzusitzen ist aber nicht seine Art. Es muss etwas geschehen. Er beginnt also erst mal einfach mit einem Drohbrief. Fies sollte er sein, übel und zum Nachdenken anregen. Die sollen sich auch fürchten. Erzittern. Vor ihm.

 

Bombe am Handy

 

Sie ist endlich vorangekommen. So einiges hatte sich in den letzten Monaten in ihrem Leben getan. In positivem Sinne. Sie grinst zufrieden und freut sich schon auf die Resonanz derer, die sie immer bestärkten, ihr immer den Rücken freihielten, derer, die an sie glauben. Klar sind es nicht viele, aber es gibt sie. Es kommt ja schliesslich auf Qualität, nicht auf Quantität an. Eine kleine Fangemeinde ist schliesslich besser als keine. Ja, tatsächlich: Fangemeinde. In Zeiten der Digitalisierung, Zeiten, in denen es unmöglich wurde hinauszugehen, um Kontakte zu knüpfen und pflegen, etwas das sie liebte, musste sie sich eben auch auf das Internet konzentrieren. Sie war öfters überrascht worden von lang erloschenen Kontakten. Niemals wäre es unter normalen Umständen sonst zu einer erneuten Kontaktaufnahme gekommen. Auch hier geht es wieder nur um das Bisschen, das Hoffnung gibt. Der Staub, der sich erst verflüchtigt und in dem sich dennoch unbemerkt ein Samenkörnchen befindet, das schliesslich zu einem grossen, starken Baum wird. Zudem wurde ihr vor einiger Zeit geraten, sie solle säen, um ernten zu können. Es ging dabei auch um Inspiration. Sie wollte inspirieren. Andere sollten auch das Leben führen können, das sie immer schon gewollt hatten. Sie selbst braucht dafür nicht viel zu bezahlen. Nur einen kleinen Beitrag. So ein Newsletterabo ist schon praktisch. All ihre Bekannten und ehemaligen Studien- oder Arbeitskolleginnen kann sie so erreichen. Auch können die Leute sich ganz einfach mit einem Click von der Liste nehmen. Ist ja jede schon gewöhnt in der heutigen Zeit. Nichts Neues. Sie hält sich an alle Vorgaben, ihre Adresse und Name sind angegeben und zudem kann sie auch keine Briefbombe schicken. Der Newsletterprovider soll zusätzlich noch Sicherheit geben, denn diese grossen Firmen würden sich davor hüten den Anhang eines Computerviruses zuzulassen.

 

 

 

 

 

Newsletter Zeitung

Sie öffnet diese beiden neuen Emails. Wieder eine angenehme Meldung von einem sehr netten Paar, das sie mal bewirtet hatte. Über Airbnb hatte sie ein Zimmer in ihrem Heim gefunden. Da sie sich dafür interessiert, was aus ihren Projekten geworden ist, fragt sie auch gleich nach.

 

Noch eine Antwort:

 Ein Drohbrief. … blabla … Datenklau … die Vermutung eines Verbrechens, … Geheimdienst … auf sie hetzen … Verletzung von … auf nichts wird er klicken, weil er weitere Taten vermute, … .

 

Von der üblen Sorte. Alle nur erdenklichen Angstszenarien. Wer ist dieser Typ? Der Name ist so ein Allerweltsname, wie ihn jede zweite Person hat. Natürlich kommt er ihr bekannt vor. Kein Gesicht taucht auf, noch nicht mal ein Gefühl. Mit einem Klick ist er gelöscht.

boommm

 

Er ist immer noch schmerzverzerrt. Der Drohbrief hat ihm nicht geholfen. Seine Identität, die er sich aufgebaut hatte. Weg.

 

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