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Vernehmungsraum

Warum sie sterben musste, wollte sie wissen. Was ist das denn für eine Frage? Sie war genauso gefühllos und ungemütlich, wie dieser Raum hier. Lichtlos ist es hier, wie ihre Augenringe und Haare waren. Gerne würde ich der Inspektorin erzählen, dass sie eine Blondine gewesen ist, denen man nie Böses zutraut. In diesem Fall war es aber leider eine Brünette. Ihr Schopf einst haselnussbraun, lang und es sah gesund aus.

Ich höre die Türe. Ein Klacken, ein Quietschen, ein Krachen.

«Sie bleiben bei Ihrem Geständnis?»

«Ja, die Welt muss sich fortan nicht mehr mit so einer Kreatur herumschlagen.»

«Das ist Ihr Motiv?»

«Wenn Adolf Hitler vor seinen grausamen Befehlen getötet worden wäre, wäre die gute Tat auch nicht als solche erkannt worden.»

«Wie auch immer. Wie war sie?»

«Gestört. Unberechenbar.»

«Sie sieht freundlich auf den Fotos aus.»

«Das ist es ja. Dieses süsse Lächeln. Diese hohe Stimme. Da hätte ich ihr am Liebsten durchgehend die Fresse poliert. Weil sie nicht leiden musste, habe ich ihr einen Gefallen getan.»

«Es gibt Menschen, die mögen solche Frauen.»

«Aber keine, die Jekyl und Hyde gleichermassen akzeptieren. Sie war durch und durch böse. Dieser Blick, wenn ihr irgendetwas nicht recht war: flackernde Pupillen. Als könnte sie einen mit ihren Gedanken um die Ecke bringen. Die bernsteinfarbenen, grossen Augen, die exakt zu ihrer dichten Haarpracht passten, veränderten ihren Ausdruck in Millisekundengeschwindigkeit. Diese Sommersprossen, dezent über ihr pausbäckiges, olivhäutiges Gesicht gesprenkelt, konnten dann nicht mehr über ihren wahren Charakter hinwegtäuschen. Mir war von vornherein alles zu einfach. Wie ihr Körper. Nicht modelmässig schlank, aber auch nicht dick. Schön im gesunden Gleichgewicht. Jedes Detail passte: Die Lippen waren nicht diese Gummibootdinger, wie sie hirnlose Kosmetikerinnen mit Botoxspritzen verursachen, trotzdem nicht diese schmalen, die einem sonst Misstrauen vermitteln. Obschon hat sie stets damit verletzt, wenn sie sie bewegt hat. Immer bissige Bemerkungen.»

«Ist es nicht eine harte Strafe? Die Todesstrafe?»

«Seelische Verletzungen werden unterbewertet. Sie machen einen kaputt. Diese Frau, ihre Grösse war durchschnittlich, verstand es, perfekt zu manipulieren. Ihr Freund hat immerfort seitlich hinter ihr gestanden und abgewartet, wie sie reagieren würde. Schrecklich.»

«Er ist in Trauer.»

«Weil er nicht weiss, dass er gerettet wurde. Sie war unfähig in einer Gruppe zu leben. Ihre Kacke klebte nach ihrem Toilettengang in der Muschel, ihre langen, glatten Haare, zusammen mit ihren kurzen gekräuselten Schamhaaren verteilten sich nach dem Benutzen der Dusche in der Wanne. Der Boden im Badezimmer war patschnass. Nachdem ich sie gebeten hatte, den Bodenlumpen zu nehmen, um wenigstens trocken zu wischen, hat sie ihren Freund geschickt und mich mit einem vernichtenden Blick gestraft. Das war MEIN Daheim, verdammter Mist nochmal. MEIN Haus!»

«Sie hatten sie eingeladen.»

«Ja, um im Team zu arbeiten. Dann hat sie aber nichts mit mir und meinem Mann gesprochen. Kein Wort. Sie hat, sofern wir sie etwas gefragt hatten, nur ihren Kopf in Richtung ihres Freundes gedreht, eine Augenbraue nach oben gezogen, an ihm vorbeigestarrt und er hat übersetzt. Zwar hatte sie unsre Sprache üben wollen, wogegen das ganze exklusive sie zu benützten. Wenn es darum ging zu meckern, hat sie zwischendurch was kapiert. Sie konnte insgesamt mit der Freiheit, die wir in unserer Arbeitsplatz-Wohngemeinschaft hatten, nicht umgehen. Sie hat jegliche Art von Arbeit gescheut. Sie ist niemals ohne ihren Freund aus dem gemeinsamen Zimmer gekommen. Wenn, dann hat sie unsere Blicke vermieden. Gegrüsst hat sie grade mal, wenn man sie direkt mit einem Gruss konfrontierte. Sie hat in ihrer Muttersprache vor uns allen über uns hergezogen. Dumm, dass am Ton, sowie an einigen Sätzen, die ähnlich formuliert werden, wie die Sprache der gleichen Sprachfamilie, die auch ich spreche, verständlich wurde, worum es ging.»

«Sie tönen, wie eine beleidigte Leberwurst.»

«Hören Sie mir nicht zu?»

«Sie hatten es mit einer unsicheren Person zu tun, die nicht wusste, wie man sich benimmt.»

«Aus ihrem Mund klingt das harmlos.»

«Dieser spärliche Charakter ist ohnehin eine Strafe fürs Leben. Die wäre ständig angeeckt, weggeschickt worden.»

«Ja, aber davor hätte sie immer und immer wieder Schaden angerichtet. Das hat sie im Job getan und zu Hause. Weil sie null Interesse zeigte, keine Empathie hatte, hat sie irgendwas ausgeführt und damit unsere Vorarbeiten kaputt gemacht. Sie hat dann eine simple Betätigung bekommen. Staubsaugen auf einer Baustelle. Bloss den gröbsten Dreck. Sie hat es derartig exakt genommen, als sollten wir von den Böden essen. Zu Hause wäre ihr das niemals in den Sinn gekommen. Totale Zeitverschwendung. Zweimal täglich musste sie duschen. Am Morgen und nach der Arbeit. Der Föhn war öfters zu hören, wie das Klappern des Geschirrs.»

«Hört sich nach Zicke an.»

«Ja, genau.»

«Benutzen Sie Parfums?»

«Wie kommen Sie darauf?»

«Der Geruch, der im Raum zu vernehmen war, als man sie fand.»

«Das war ihr billiges Parfum. Kaum zu ertragen. Süsslich, nuttig mit einem Hauch Putzmittelnote.»

«Ok. Wie dem auch sei. Sie bleiben erst mal in Untersuchungshaft. Das ist ihrer Beschreibung nach kaltblütiger Mord und keine Selbstverteidigung.»

«Das Opfer wollte ich ja nie sein, also habe ich mir selbst geholfen.»

«Ja und wir helfen der Welt, indem wir sie wegsperren.»

 

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